Sakralbauten
Besonders
deutlich tritt zur karolingischen Zeit das komplementäre Verhältnis
von Staat und Kirche hervor. Wenn man von einem aus der ottonischen
Epoche bekannten Reichskirchenwesen noch nicht sprechen darf, so war
die Kirche als eine transzendentale Legitimität verleihende Institution
nicht nur Hütterin des Glaubens, sondern auch ein den Staat konsolidierender
Faktor.
Dem
Wunsch Karls des Großen, im Frankenreich nicht nur die Kontinuität des
römischen Staatswesens, sondern auch der spätrömischen Architektur wiederherzustellen,
kommt zunächst die Basilika als überlieferter kirchlicher Bautyp entgegen.
Auf dem Gebiet des Kirchenbaus tritt aber der Versuch, die schon früher
auf fränkischem Boden vorhandenen Formen weströmischer Bautradition
durch aus dem Osten kommende byzantinische Einflüsse in der Gestaltung
des Grundrisses zu erneuern, am einprägsamsten auf.
So nahm
in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Konkurrenz zwischen den
kirchlichen Gebäuden mit rechteckiger Grundrißgeometrie, die man deswegen
dem basilikalen Bautyp der christlichen römischen Spätantike zurecht
zuordnen kann, und den byzantinischen Vorbildern verpflichteten sakralen
Zentralbauten, denen Karls Vorliebe galt, immer deutlicher zu. Einerseits
pflegte man weiter die überlieferte basilikale Tradition wie z.B. bei
der noch merowingischen Kirche in Poitiers (700-50) (Außen), bei der ehemaligen St. Nazarius-Abteikirche in Lorsch (768-74) und der in der Form einer Säulenbasilika erbauten längstgerichteten Hauptkirche
des Klosters Centula in Saint-Riquier bei Abbeville (790-99), andererseits
errichtete man immer öfter solche Kirchen wie die Michaelskapelle in
Fulda (Innen), die Grabkirche der Abtei
Mettlach, Benediktinerabtei
in Mettlach (Saar) und die Kirche von Germigny-des-Pres bei Orleans.
Im Jahre
791 durch den Abt Eigil auf dem Friedhof der Mönche im Kloster zu Fulda
begonnen, wurde die St. Michaelskirche (
http://www.fulda.de/inhaltsseiten/tourismus
>Kultour>Sehenswuergigkeiten>A-Z>Michaelskirche in Fulda
http://hub.ib.hu-berlin.de/~wumsta/Milkau/p215.html)
erst 820 eingeweiht. Als Stiftung und Grabstätte des heiligen Bonifacius
(755 den Martyrertod gestorben) kommt Fulda eine besondere symbolische
Bedeutung zu. Der Rundbau von St. Michael besteht aus einer Krypta und
einem Obergeschoß. In der Krypta befinden sich ein Mittelraum und ein
ringförmiger Umgang. Das Tonnengewölbe, mit dem der Mittelraum überdeckt
ist, stützt sich auf einer kurzen mittleren Säule und einer zylindrischen
Mauer, die Mittelraum und Umgang trennt. Das Säulenkapitell stellt eine
plumpe Nachahmung der ionischen Kapitelle dar. Die Basis der Kryptasäule
weist einen massiven halbrunden Pfühl auf. Ringsum des Mittelraumes
liegen die acht Abteilungen des Umgangs, die ebenfalls tonnengewölbt
sind. Untereinander werden sie durch Quermauern getrennt. Ins Innere
der Krypta führen vier Zugänge. Durchbrechungen in den Quermauern verbinden
alle Räumlichkeiten. Das Obergeschoß ist der architektonischen Komposition
der Krypta ähnlich strukturiert. Sein Mittelraum wird von den niedrigen
Umgängen durch acht Säulen abgesondert, die untereinander mit Bögen
verbunden sind. Über dem Umgang wurde im 11. Jahrhundert eine Empore
gebaut, deren Durchbrechungen zum Mittelraum Doppelarkaden auf Säulen
bilden. Über der Empore kommt eine flache Decke, die den erhöhten Mittelraum
nach oben abschließt. Eine im Vergleich zur Krypta reichere Verzierung
macht sich an den korinthischen und Kompositkapitellen der Säulen im
Obergeschoß bemerkbar. Ihre Deckplatten sind haupsächlich der geschwungenen
Karniesform verpflichtet, während die Basen attisches Profil zeigen.
Eine
zu jener Zeit unübertroffene architektonische Meisterleistung ist die
805 geweihte Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen
Dom in Aachen
http://www.aachendom.de
http://www.wisc.edu/arth/ah201/32.charlemagne.1.html
http://www.aachen.de/indexx.html
>Aaachen Profil>Rathaus, >Pfalz und Dom
http://www.seniorensport-aachen.de/aachen/acseiten/derdom.htm.
Sie stellt einen zweigeschossigen polygonalen Zentralbau dar, der innen
acht- und außen sechzehneckig war (Pfalzkapelle
in Aachen - Außen). Allerdings ist heutzutage die ursprüngliche
stilistische Zugehörigkeit der Aachener Hofkirche zur karolingischen
Entstehungszeit schwer zu erkennen, weil sich die Gotik des 14. und
15. Jahrhunderts am Baukomlex vorherrschend gemacht hat. Im Inneren
aber läßt sich das sonst von gotischen Anbauten verdeckte Oktogon als
Phänomen karolingischer Sakralbaukunst in aller Klarheit veranschaulichen
(Pfalzkapelle
- Innen 1). Anstelle des jetztigen gotischen Hochchors befand sich
im 9. Jahrhundert an der Ostseite des Zentralbaus ein rechteckiger zweigeschossiger
Chor. Ein der zentralbaulichen Form entsprechendes achtteiliges Klostergewölbe
diente zur Abdeckung des Mittelraums. Mit Ausblick auf den Altar war
der aus Marmorplatten konstruierte und in der Ausführung ganz schlichte
Kaiserthron Karls im Emporengeschoß situiert. Auf diese Weise kommt
eine vertikale Stratifikation zum Ausdruck: der Kaiser, von seinem Gefolge
umgeben, sitzt über dem Volk und der Dienerschaft, die im unteren Raum
beherbergt werden, zugleich aber auch unter dem allmächtigen Gott. Die
Hervorhebung der kaiserlichen Persönlichkeit gegenüber der nächsten
Gefolgschaft erfolgt durch sechs Stufen, was auf die gleiche Disposition
des Throns des alttestamentlichen Königs Salomon anspielt. Selbst die
architektonische Gestaltung des Unter- und Obergeschosses weist Unterschiede
auf, die auf eine symbolische Einteilung des Raumes hindeuten. Anders
als die massiven einfachen rundbögigen Öffnungen des Untergeschosses,
die einen unverhinderten Durchblick in die Nebenräume gewähren, zeichnet
sich die Empore durch etwas schmalere und höhere Rundbogenöffnungen
aus, was infolge ihrer Vergitterung durch Doppelsäulenstellungen mit
korinthischen Kapitellen zustandekommt (Pfalzkapelle
- Innen 2). Für die Errichtung des Münsters (796-804) ließ Karl
der Große echte antike Säulen und Steinmaterial aus Köln, Trier, Ravenna
und selbst aus Rom herholen, die vom Baumeister Odo von Metz in den
Bau aufgenommen wurden. Diese symbolische Verknüpfung von Althergebrachtem
mit dem Wirken Karls bekräftigt zweifelsohne noch einmal seine Absichten,
die antike Tradition auf dem kulturellen Gebiet und nicht als Machtanspruchsdimension
wieder ins Leben zu rufen. Weiterhin wurde die Empore gegen das Oktogon
nach innen durch Bronzegitter abgeschrankt. Der Zentralbau weist einen
Gesamtdurchmesser von 29,5 m auf, der in der Mitte 14,4 m beträgt. Die
Mauern sind 1,6 m stark.
Als
Vorbild für die Errichtung der Kaiserkapelle fungierten die Kirche San
Vitale in Ravenna (geweiht 547) (http://www.wisc.edu/arth/ah201/29.byzantine.3.html#svitale),
errichtet vom oströmischen Kaiser Justinian (527-565) in Anlehnung an
ebenfalls von ihm gestiftete SS Sergios-und-Bakchos-Kirche in Konstantinopel
sowie der alte Dom zu Brescia. Die abgerundete Grundrißform des Zentralbaus
deutet schon auf einen oströmischen Einfluß hin, dem auch die Ostgoten
zur Zeit ihres Aufenthaltes in der Region um das Schwarze Meer seitens
byzantinischer Baukunst ausgesetzt waren. Während der Großen Völkerwanderung
(4.-6. Jahrhundert n.Chr.) nahmen sie diese Erfahrung mit auf den Weg
ins Abendland. Ein entscheidender Punkt für die Hinwendung an oströmische
Bauformen war das persönliche Interesse Karls an eine geistige Aneignung
der byzantinischen Staats- und Herrscherkirche. In zahlreichen Nachbildungen
wie die Palastkapelle zu Nimwegen, die von Ludwig dem Deutschen in Thionville
aufgeführte Schloßkapelle und die gegen Ende des 10. Jahrhunderts zu
Lüttich erbaute Johanniskirche lebte die Aachener Bautradition fort.
Auch in der späteren Zeit griff man auf das Vorbild der Karls Pfalzkapelle
zurück, wie dies durch die Klosterkirche zu Ottmarsheim im Elsaß (aus
der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts), die Stiftskirche zu Essen (Münster
in Essen - Westwerk - Außen / Münster
in Essen - Innen), St. Maria auf dem Kapitol (http://www.stadt-koeln.de/13/bilddatenbank/bilder_de/18/index.html)
und St. Pantaleon zu Köln (
St. Pantaleon Köln - Westwerk - Innen
http://www.geschichte.2me.net/dch/dch_340.htm
http://www.koeln.de/portrait/d/kirchen.html)
dokumentiert werden kann.
Nach
dem Tode Karls des Großen erlahmte das Interesse an die Errichtung von
runden Zentralbauten relativ schnell und selbst seine nächsten Ideengefährten
wandten sich in der Baukunst wieder der Basilika zu, was anhand der
folgenden Beispiele deutlich wird.
Die
Einhartsbasilika von Steinbach bei Michelstadt im Odenwald (eingeweiht
827), genannt nach dem Vertrauten und Biographen Karls des Großen, ist
in einem guten Zustand erhalten geblieben (Einhartsbasilika
von Steinbach). Der Bau wirkt nach der Bestimmung des Auftraggebers
gezielt schlicht: kleinteilige Quader bedecken die Außenwände; die Pfeiler
und Bögen sind aus dünnen Ziegeln mit breiten Mörtellagen errichtet;
Zierelemente kommen nur an den Kapitellgesimsen und den Basen der Pfeiler
vor. Das aus drei Zellen bestehende Sanctuarium im Innenraum läßt eine
Rückbesinnung auf östliche Vorbilder spüren. Ein völlig ausgebildetes
Querschiff mit Vierung und selbständigen Seitenflügeln liegt zwischen
Langhaus und Chor. Er selbst setzt sich aus einer Hauptapsis und je
einer kleineren Nische an den Querflügeln zusammen. Die Kirche gehörte
zum Typus der Pfeilerbasilika, denn das Mittelschiff war durch je fünf
einfache Pfeilerpaare von den ziemlich breiten Seitenschiffen getrennt.
Den Abschluß der Westseite bildete eine Vorhalle, die durch das Atrium
begehbar war. Der Grundriß ist durch Kürze und Breite gekennzeichnet
und weist schon alle wesentlichen Elemente der späteren romanischen
Basilika auf. Zu ihnen gehört auch die sich unter dem Querschiff und
dem Chor ausdehnende Krypta. Sie besteht aber aus einem System kreuzförmiger
Gänge mit Tonnengewölben, das sie von den Krypten der Romanik wesentlich
entfernt und den altchristlichen Katakomben ähneln läßt.
Noch zu erwähnen
wären in dieser Hinsicht solche karolingischen Kirchenbauten wie z.B.
die Abteikirchen in Corvey (822-48) (Corvey
/ Abteikirche
in Corvey 1 / Abteikirche in Corvey - Kaiserloge
Abteikirche in Corvey - Westwerk (Detail)
http://www.thais.it/architettura/romanica/Schede/sc_00009.htm
http://hub.ib.hu-berlin.de/~wumsta/Milkau/p179.html
Abteikirche
in Corvey - Westbau-Halle nach Nordosten / Abteikirche
in Corvey - Krypta / Abteikirche in Corvey - Chor St. Johannes), die Einhardsbasilika in Seligenstadt (832-40)
http://www.seligenstadt.de/basilika.htm
http://www.seligenstadt.de/hautnah.htm
Innen,
die Stiftskirche in Hersfeld (831-50) (Stiftskirche
Hersfeld - Außen / Stiftskirche Hersfeld - Querschiff), St. Justinus in Höchst bei Frankfurt (2. V. 9. Jh.), der Neubau des ursprünglichen Doms in Köln (800-64, eingeweiht
870) sowie die St. Georgkirche in der Oberzell auf der Reichenau (um
900) (St. Georg in der Oberzell auf der Reichenau - Innen
http://www.geschichte.2me.net/dch/dch_265.htm
http://www.thais.it/architettura/romanica/Schede/sc_00064.htm
http://www.reichenau.de/reichenau.asp >Rundgang>Geschichte
http://www.gzg.fn.bw.schule.de/lexikon/reichena/georg.htm).
Das zwischen 873 und 885 entstandene Westwerk der Klosterkirche von
Corvey (Abteikirche in Corvey - Westwerk) ist heute noch relativ gut erhalten.
Interessant im Ausblick
auf die Romanik ist die 19,5 m lange und 12,7 m breite Saalkirche des
schon um 780 gegründeten Klosters bei Müstair (Graubünden, Schweiz)
(Klosteranlage St. Johann
http://www.muestair.ch
>Kloster St. Johann
http://www.valmuestair.ch/sites/f_b6.html).
Nicht ihre Einschiffigkeit und die flache Bedeckung aber machen sie
bemerkenswert, sondern die Anhäufung von drei Apsiden im Osten. Man
konnte sie als Ausgangbasis ansehen, auf der nach entsprechenden Dispositionierung in der Romanik die Entstehung der sogenannten Dreikonchenanlage fußt.
Kirche St. Michael zu Rohr (ca. 875)
http://www.archINFORM.de/start.htm?page=/stichli/k.htm
KAROLINGISCHEN KLOSTERKIRCHEN
DER BENEDIKTIENRABTEI MÜNSTERSCHWARZACH
http://www.abtei-muensterschwarzach.de/abtei/Karolinger/Kirche.htm
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