Glasmalerei
Blickt man zurück in die Geschichte der Fensterglasproduktion, so läßt sie ihre Anfänge bis in die frühe römische Kaiserzeit zurückverfolgen. Die Glasqualität entsprach dem damaligen technologischen Stand der Glasherstellung bzw. -bearbeitung.
Für die früheste glasmalerische Ausstattung kirchlicher Bauten steht wieder San Vitale in Ravenna mit ihrem aus dem 6. Jahrhundert stammenden Glasfenster als wegweisendes Beispiel.
Danach folgt eine langwierige und bis in das 11. Jahrhundert dauernde Überbrückungszeit, aus der so wenig erhalten geblieben ist, daß über die derzeitige Entwicklung der Glasmalerei nur aus den schriftlichen Quellen schließen kann. Hierzu gehört auch Deutschlands ältestes bemaltes Fensterfragment aus Kloster Lorsch (Darmstadt: Hessisches Landesmuseum). Der Scherbenfund wird um das Ende des 9. Jahrhunderts datiert und zeigt einen Heiligenkopf, angeblich Teil einer großen Figur. Die Rekontruktion läßt in den großen, weit geöffneten Augen eines intensiven Blicks, in der starren Frontalität sowie der betont schematischen Ornamentierung unverkennbar die Merkmale der karolingischen Malerei ausfindig machen.
Zeugnisse ottonischer Glasmalerei legten bis zu ihrem Verlust (1944) die Köpfe aus Schwarzach und Magdeburg (Ende 10./ Anfang 11. Jhdt) ab. Stilistische Ähnlichkeiten mit der frühromanischen Buchmalerei waren laut überlieferter kunsthistorischer Auseinandersetzungen auch hier schwer zu übersehen. Der nach seinem Fundort (Wissembourg im Elsaß) benannte Weißenburger Christuskopf (Straßburg: Frauenhausmuseum) ist um 1060 entstanden und stellt ebenfalls ein 25 cm hohes Fragment dar. Die Ausstrahlung einer intensiven geistigen Spannung ist durch asketische Gesichtszüge und einen magisch bannenden Blick erzielt. Die Gestaltung des Gesichts basiert auf dem Zusammenspiel zwischen breiten schwarzen Strichen und weißen Schattenpartien, deren unterschiedliche Intensität drei verschiedene Nuancierungen erkennen läßt. Dieses den Angaben des ersten "Theoretikers" der Glasmaltechnik namens Theophilus folgende Darstellungsverfahren die Plastizität steigern, jedoch wirkt das Christusbild aus Weißenburg eher flach und linear. Ornamental behandelt sind insbesondere die Nase und die Ohren. Der feierliche Ausdruck der Augen trägt wesentlich zur Suggerierung einer übernatürlichen Erscheinung bei.
Zur späten Salierzeit (um 1135) entstanden die 2,30 m hohen Glasgemälde der Propheten Moses, Daniel ( Glasfenster im Augsburger Dom - Daniel
http://www.geschichte.2me.net/dch/dch_442.htm
http://dochost.rz.hu-berlin.de/dissertationen/kunstgeschichte/reichel- andrea/HTML/images/BA165,166,167.jpg >Bild 165), Hoseas, David und Jonas im Obergaden des Domes in Augsburg,
die als Teil eines ehemals 22 Bildfenster umfassenden Zyklus zu verstehen
sind. Gezeigt werden sie mit ihren Spruchbändern, auf denen Weissagungen
geschrieben sind. Unter allen fünf Figuren sind zwei (Daniel und David)
erhalten geblieben. Ihre Frontalität und die verhaltenen Bewegungen
rufen eine monumentale Wirkung hervor. Bei aller archaischen Strenge
des Gesichtsausdrucks spürt man doch eine individuelle Differenzierung
der Züge. Sparsam, aber in leuchtenden Farben ausgeführt, ist die Bemalung
der großen Flächen der Bildkomposition.
Bedauerlicherwiese sind die entsprechenden Beispiele hochromanischer Glasmalerei aus den Kaiserdomen in Speyer, Worms und Mainz verloren gegangen.
Leidenschaftlichen Sammlern (wie z.B. der Freiherr vom Stein) verdankt man die Bewunderung der fünf Gerlachusscheiben (1160-70) aus Arnstein an der Lahn, die zu den schönsten Werken dieser Kunstgattung während der früheren Stauferzeit gehören. Thematische Motive bilden das Leben Moses und die Wurzel Jesse. Ungewöhnlich für das 12. Jahrhundert und einzigartig in der Glasmalerei ist das Selbstbildnis des Glasmalers Gerlachus unterhalb der Darstellung Moses vor dem brennenden Dornbusch. Auf dem rahmenbildenden Schriftband steht in lateinischen Worten geschrieben: "Gott, o hehrer König der Könige, sei Gerlachus gnädig".
Thema der um 1166 entstandenen Glasmalerei von St. Patroklus in Soest bilden die Passion und die Himmelfahrt Christi (Medaillons auf dem Mittelfenster der Apsis; Höhe: 74 cm / Breite: 21 cm), die Wurzel Jasse und die Legende des Heiligen Patroklus. Markant ist hier die kleinfigurige Darstellung der Szenen, die durch ihren Licht-Schatten-Aufbau dreidimensional wirkt. Die Medaillonbilder sind von Propheten in Dreiviertelansicht flankiert. Unter ihnen ragt besonders David hervor, der unter einem Kleeblattbaldachin das Band mit der Inschrift hält: "Dicite i(n) Nationi(bus) Dominus Regn(at)" (Chronik I. 16, 31).
Daß Deutschland nur langsam Abschied von der Romanik nimmt, wurde schon angedeutet. Deswegen ist die Stauferzeit durch eine Fusion von margianlen Stilelementen gekennzeichnet, denen teilweise immer noch das Romanische innewohnt, teilweise aber schon von den gotischen Impulse des benachbarten Frankreichs beeinflußt sind. Berechtigterweise hat man für diese interstile Epoche die Bezeichnung Übergangsstil erfunden. Die Abkehr vom Romanischen zur Zeit des sogenannten Übergangsstils charakterisiert in aller erster Linie die Vermenschlichung des Übernatürlichen, wodurch es real wirkt. Deutliche Spuren, die ihren Einzug in die deutsche Glasmalerei markieren, findet man in St. Kunibert in Köln. Die hier um 1215-26/30 geschaffenen Glasfensterbilder weisen eine unverkennbare Ähnlichkeit zwischen dem künstlerischen Können des Glasmalers und den ästhetischen Leistungen des Goldschmieds und Emailmalers Nikolaus von Verdun auf. Schlanke und langgestreckte Figuren in der Darstellung der Wurzel Jesse und verschiedener Heiliger werden von üppig wucherndem Blattwerk umrahmt, das ungewöhnlich breite Rahmenbordüren bildet. Dieses Rahmensystem findet eine Wiederholung mehrfach an spätromanischen Fenstern z.B. in Mönchengladbach und in Bücken an der Weser.
Die Tendenz, durch bilderzählerische Zyklen mit Szenen aus dem Leben populärer Heiliger didaktische Ziele anzustreben, ist auch in der Glasmalerei der Spätromanik bzw. der Frühgotik gut dokumentiert. Hierfür zwei herausragende Beispiele.
Gemeinsam mit Motiven der Passion Christi und den kirchliche Festthematik ansprechenden Bilder zeigen die Glasgemälde (um 1230-35) aus der Barfüßerkirche in Erfurt aufeinander bezogene Szenen aus dem Leben des heiligen Franziskus. Die hier erstmalig zustande kommende Bilderfolge kulminiert in der Schilderung seiner Stigmatisation.
Ebenfalls neuartig sind in diesem Sinne die bemalten Glasfenster (1240) im Chor der Marburger Elisabethkirche, die als erste transalpine Monumentalisierung der Taten des heiligen Franz von Assissi gelten. Nicht an zweiter Stelle sind die Darstellungen der barmherzigen Werke der Kirchenpatronin zu nennen, die zweifelsohne als Nachahmungsvorbild gedacht sind. Bestimmte Parallele zu den Meisterwerken staufischer Steinplastik am Straßburger Münsterportal rufen ferner die großen Figuren der Ecclesia und Synagoge hervor, indem man sie in bezug auf Stil und Ikonographie vergleicht. Die beiden Allegorien sind schon zutiefst der gotischen Darstellungsweise verpflichtet, die Rankenornamente bleiben aber im Romanischen verankert.
Einen Höhepunkt erreichte der Übergangsstil in den um 1250 entstandenen Glasgemälden im Westchor des Naumburger Domes, so daß man sie immer öfter als Werke der deutschen Frühgotik bezeichnet. Eine ikonographische Verwandtschaft mit den Skulpturen ist auch hier auffallend. Deutlich bemerkbar macht sich an den Figuren ein interner Wiederspruch: während die Gesichter der Heiligen den Eindruck von Ausgewogenheit und Ruhe begründen, bringen die Falten der Gewänder die dramatische Spannung der Körper zum Ausdruck. Darin kündet sich schon die neue Epoche der Gotik an.
Rätselhafte Relikte der Romanik
http://alpha.darmstadt.gmd.de/Regiomarkt/Nordschwarzwald/Kultur/romanik/index.html
Literatur zur mittelalterlichen Glasmalerei
http://www.uni-freiburg.de/cvma/publ.htm
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