Wandplastik und Reliefs

Seit dem Hochmittelalter verzeichnete in Anlehnung an die französischen Vorbilder auch in Deutschland die romanische Wandplastik einen wesentlichen Aufschwung. Insbesondere werden nun Gewände, Leibung (bogenartige Überbrückung der Gewände) und Bogenfeld (Tympanon) der romanischen Kirchenportale durch reichen plastischen Schmuck gekennzeichnet. Hervorragendes Beispiel hierfür liefert die um 1190 fertiggebrachte Plastik der Portalwand von St. Jakob in Regensburg >Bild 2. Ihre ornamentale und figurliche Ausstattung läßt ein anfänglich noch charakteristisches Beiwerk nur schwer übersehen. Im Unterschied zu Frankreich machen die vorkommenden Götter- und Bestiengestalten die ziemlich eigentümlichen Züge der deutschen Portalwandplastik bei der Motivwahl deutlich erkennbar.

Viel ausgeprägter tritt die Beeinflussung durch die Bauhütten des benachbarten Landes bei der sogenannten "Goldenen Pforte" des Südportals am Freiberger Dom in Sachsen (um 1230) hervor (
Goldene Pforte des Freiberger Doms (Südportal)
http://www.geschichte.2me.net/dch/dch_573.htm
http://www.klick-auf-freiberg.de/kirchen/dom3.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_1_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_2_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_3_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_4_1_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_4_2_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_5_1_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_5_2_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_5_3_1.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_225_3_4_2_5_4_1.htm). Offensichtlich liegt es an der späteren Entstehungszeit, daß ausschließlich Menschengestalten abgebildet werden. An den Gewänden trennen Säulen die Statuen voneinander. Die Leibung stellt Personen aus dem Alten Testament dar (Aaron), die auf das Bogenfeld blicken. Das Tympanon selbst ist thematisch der Anbetung der heiligen drei Könige gewidmet und zeigt im Mittelpunkt die thronende Maria mit dem Jesuskind auf den Knien.

Seine Bedeutung als beliebte Form plastischer Ausführung weiter zu behaupten, gelang es auch in dieser in vieler Hinsicht unruhigen Zeit dem Relief. Einen maßgeblichen Einblick in die bildhauerkünstlerische Verarbeitung vom problematisch gewordenen Gedankengut verschaffen die Reliefs der Georgenchorschranke im Bamberger Dom (http://www.donau.de/vereine/fgr/1996/november/04.htm). 115 cm Höhe weist die um 1230 in Sandstein gemeißelte Figur des Erzengels Michael auf, der in den Wirbel eines Drachenkampfs geworfen ist. Daß dieser Kampf jenseits des irdischen Raumes stattfindet, wird durch den Verlust allen Festes, das hier in ein bedenkenswertes Schwanken gerät, unterstrichen. Einen plastischen Ausdruck dessen findet man in der Darstellung des Schwertes, des Mantels und der Ärmel, der Gewandfalten an der Brust, der breit gespreizten Beine sowie des Gewoges des Drachen. In der gleichen Höhe wie der Erzengel sind die Gestalten der Propheten Jonas und Hosea (http://www.bildindex.de/Orte_1_2_73_3_4_2_1.htm >Bilder 25-47, insbesondere Bild 30) aus der Nordostschranke des Chors dargestellt. Die Szene zeigt beide während einer Disputatio. Die damit bezeichnete Auseinandersetzung über die Heilstatsachen bildete zum Anfang des 13. Jahrhunderts die Form des theologischen Unterrichts par exellence. Gestik, Gesichtszüge und Körperhaltung sorgen für die Vermittlung von Spannung, die auch von den verhakten Blicken der Protagonisten hervorquillt. Der rhetorisch-leidenschaftlich ausgestreckte Finger Hoseas ähnelt einem Schwert, das einen Kampf um Leben und Tod ansagt. Weniger Emotion enthüllend, steht der kahlschädlige Jonas ihm gegenüber und hält gelassen dem Ansturm stand. Alles dreht sich um das mit äußerster Intensität verlaufende geistige Kräftemessen. Selbst die anatomisch unmögliche Verrenkung der Hüfte Hoseas bleibt für den Bildhauer angesichts der extremen Szenendynamik zweitrangig. Noch elf Reliefsbilder mit jeweils zwei Figuren setzen in Bamberg das Thema des streithaften Gesprächs zwischen Aposteln und Propheten plastisch weiter um.

Zug der Verdammten am Fürstenportal des Bamberger Doms (1230)
http://dochost.rz.hu-berlin.de/dissertationen/kunstgeschichte/reichel- andrea/HTML/images/BA236,237.jpg> Bild 237

Heimsuchungsgruppe aus dem Bamberger Dom (1235-37)
http://www.bildindex.de/Orte_1_2_73_3_4_6_2_1.htm

In der Entwicklung der deutschen Plastik jener marginalen Epoche, die an der Schwelle zur Frühgotik liegt, bildet der "Bassenheimer Reiter" (um 1240) (Bassenheimer Reiter) aus der Pfarrkirche von Bessenheim bei Koblenz eine markante Zwischenstation. Die in Sandstein ausgeführte plastische Erzählung bringt die Legende von der Mantelspende des heiligen Martin (um 316-397/401) dar (
http://www.bassenheim.de/test/bassenheim/gallerie/index.html
http://www.dioezese-trier.de/martin/martin2.htm). Das thematische Motiv der Szene stammt aus dem vorchristlichen Lebensabschnitt des späteren Bischofs, als der damals achzehnjährige Gardeoffizier des römischen Heeres - hoch zu Pferd dargestellt - in samariter Gesinnung einem in der Kälte des Winters frierend bettelnden Blinden die Hälfte seines Mantels schenkte. Die Beliebtheit des Heiliggesprochenen beim Volk schlägt sich schon in der Rethematisierung der mehrere Jahrhunderte alten Legende nieder. Zu ihrer Betonung trägt die bewußte Hinwendung des angeblich Naumburger Meisters zu Verfahren der Versinnbildlichung bei, die denen der Spätantike fernliegen und einer Affinität für deutsche Tradition zutiefst verpflichtet sind. So ist z.B. das Haar des Reiters lang und lockig, sein Gesicht breit, und das Pferd bäuerlich schwer. Der Reiter ist zurückgewendet und blickt auf den Bettler mitleidend herab. Mit dem Schwert in der rechten Hand zerschneidet er den Stoff seines Mantels. Zum Ausdruck kommt dabei eine sich im christlichen Sinne vollziehende symbolische Umdeutung: das Schwert ist nicht mehr Attribut des kämpfenden Kriegers und unterstreicht nicht primär seine Tapferkeit, sondern wird zum Zeichen der Barmherzigkeit und der Güte umwandelt. Der Kraftfülle und dem Edelmut des Reiters wird die Körperschwäche und das Armut dramatisch gegenübergestellt. Nur eine zerfetzte Hose deckt seinen nackten Leib. Neben Hunger und Frost gehört auch die Blindheit zu seinem tragischen Schicksal. Die Dynamik des Geschehenden manifestiert sich in der Intensität einer kreisverlaufenden Bewegung, deren Rahmen nach vorne der Kopf des Pferdes und nach hinten der Kopf des Bettlers bilden. Der vorwärts ausgerichtete Zug des Pferdes bedingt es, daß der Mittelpunkt der gesamten Szene in ihrer linken Hälfte hinterlegt wird. Seinerseits ist er durch die Schräge des Schwertes geteilt.

Einen besonders expressiven Eindruck hinterläßt bei seiner Betrachtung der Westlettner des Naumburger Doms (um 1250) (
Plastiken im Westlettner des Naumburger Domes
http://www.geschichte.2me.net/dch/dch_608.htm
http://www.wentzlau.de/burgen/naumburg/naumb.htm). Von kunsthistorischer Bedeutung sind die Kreuzigungsgruppe am Eingang zum Chor sowie die Passionsreliefs des Frieses. Zwischen den beiden Toren des Choreingangs steht das Kruzifix mit der leidenden Gestalt Christi. Am Kreuz hängt der Körper in leicht geschwungener Haltung, die übereinandergelegten Füße sind mit einem Nagel durchbohrt. Die ausgestreckten Arme des Gekreuzigten markieren den oberen Rand der Chortüren. Das Lendentuch fällt nicht wie beim Gerokreuz in senkrechten Falten nach unten. Zu seinen Seiten treten die einer Kreuzigungsgruppe festgehörenden Begleitfiguren auf: rechts Maria und links Johannes (http://www.wentzlau.de/burgen/naumburg/naumb.htm), die ebenfalls von Schmerz erfaßt sind. Die acht Reliefsbilder aus der Passion (Kalkstein, 65 cm hoch und 30 cm tief) sind den Themen des Abendmahls, Judas bei dem Hohenpriester (Das Blutgeld >Bild 179), der Gefangennahme Christi (Verrat und Gefangennahme Christi), der Verleugnung Petri, des Gesprächs der jüdischen Wachen, Christus vor Pilatus, der Geißelung und der Kreuztragung (die letzten zwei im 16. Jahrhundert erneuert) gewidmet. Eine Darstellung der Todesangst Jesu am Ölberg kommt nicht vor, um durch die auf diese Weise zustande kommende symbolische Verleugnung der Verzweiflung eine Beeinträchtigung der Glorie des Herrn entscheidend vorzubeugen. Sonst ist Christus der Reliefs in volkstümlicher Art gezeigt, von der Menschenmenge unterscheidet ihn seine von dem Meister immer wieder betonte Schweigsamkeit und eine bewußt selbstentsagende Hingabe gegenüber der eigenen Aufgabe und dem sich vollziehenden Schicksal.

Tierkapitell in der Krypta des Freisinger Doms
http://www.freising.de/stadtbilder/deutsch/Bil_Deu_s7.htm
http://www.bildindex.de/Orte_1_6_240_3_4_1.htm >Bild 82-85

Romanischer Pfeiler aus Prüfenig bei Regensburg (12. Jahrhundert)
http://www.gnm.de/Sammlungen/Sammlung_Skulpt_H8.htm